Erste Teddybär-Geschichten auf dem Weg vom Papier zum Film


Mitgerissen von der Erfolgswelle des Bären, erschien in USA ab 1906 für etwa drei Jahre die erste Teddy-Comic-Serie „Little Johnny and the Teddy Bears“ im beliebten „Judge Magazine“, einer Wochenzeitschrift für politischen Humor. Die Texte schrieb der Herausgeber Robert D. Towne, die Bilder waren eine frühe Form von Comiczeichnungen von John Randolph Bray. Hier ist beides beisammen: Es handelt sich um „richtige“ Teddybären, die auch noch so genannt werden. Erstmals taucht auch die Kurzform des Begriffs im Plural auf: „The Teddies“ oder noch kürzer „The Teds“. Auf den Zusatz „Bears“ wird verzichtet. Man weiß, dass Teddies Bären sind. Die Hauptfigur der Geschichten ist ein kleiner Junge namens Johnny, der zusammen mit seinen sechs, durch unterschiedliche Hüte und Pullover gekennzeichneten Teddybären immer neue Abenteuer in der aktuellen Welt erlebt. Johnnys kleine Bären sind durch ein verzaubertes Elixier lebendig geworden.

Wöchentlich erschien in verschiedenen amerikanischen Zeitungen eine ganzseitige Bildergeschichte im Großformat mit sechs Bildern und je einem Vierzeiler.

Die Bildergeschichten illustrierten auch politisches Zeitgeschehen und nahmen gelegentlich direkt auf Roosevelt Bezug. Sie wurden schnell so beliebt, dass 1907 die ersten Bücher mit den beliebten Figuren produziert wurden. Der Absatz war ihnen sicher. Johnnys sechs kleine farbige Bären kamen den Plüschbären jener Zeit im Aussehen sehr nahe, das herzförmig abgesetzte Gesicht hatten sie dem beliebten  Berryman-Bären entlehnt. Es ist damit eines der ersten Male, dass bewußt Plüschbären für sich schnell verbreitende Medien wie Zeitungen gezeichnet werden. Hier ist er, der Teddybär, wie wir ihn heute kennen! Als William Taft 1909 Präsident wurde, wechselte der Titel der Fortsetzungsgeschichten in "Little Johnny and the Taffy Possums", und Tafts Maskottchen Billy Possum wurde die Hauptperson. Das erwies sich aber eher als Erfolg vernichtend.

Die sich jede Woche mit neuen Bildern in die Köpfe der Leser einbrennenden Bilder der Teddybärchen hatten eine weitreichende Wirkung. Edison war 1907 so von ihnen begeistert, dass sie ihn zu dem Film „The ‚Teddy‘ Bears“ inspirierten, der die ersten animierten Teddybären der Welt in einer Stop-Motion-Szene als bewegte echte Plüschbären präsentierte. (Siehe Artikel über den Film) Der Comiczeichner und Erfinder von Johnnys kleinen Bären, John Randolph Bray (1879-1978), war wiederum von Edisons Film so überaus beeindruckt, dass er nun seinerseits seine Comic-Teddybären auf die gleiche Weise lebendig werden lassen wollte. Das Elixier, das seine Bären zum Leben erwecken sollte, hieß FILM. "Little Johnny und die Teddybären" sollten vom Zeitungspapier auf die Leinwand gebracht werden. Es war Brays erstes Animationsprojekt. Aber die viele Mühe und Arbeit an diesem Projekt war vergeblich. Zeichnungen in Bewegung zu bringen war schwieriger als wirkliche dreidimensionale Teddybären in Puppentrickfilmmanier tanzen zu lassen. Die nötige Technik stand noch nicht zur Verfügung, und niemand wusste wirklich, wie man solche Ideen ausführen sollte; so gelang es ihm nicht, seine Pläne für bewegte Teddybären zu seiner Zufriedenheit umzusetzen. Später entwickelte er neue Methoden für Zeichentrickfilme, die verschiedene Kunstrichtungen mit Varieté verbanden, und brachte so die neue Gattung Zeichentrickfilm auf den Weg. Er wurde schließlich Regisseur, Drehbuchautor und Produzent mit einer eigenen Firma, den „J.R.Bray Studios“. Vor dem Ersten Weltkrieg beherrschte er den Markt für Zeichentrickfilme bis hin zu militärischen Lehrfilmen. Erst Walt Disney überholte seine Erfolge.

Mit nicht ganz uneigennütziger ausdrücklicher Unterstützung Theodore Roosevelts wurde 1907 der Stummfilm THE “TEDDY” BEARS mit einer Länge von dreizehn Minuten von der Thomas-A.-Edison-Company produziert; Edwin S. Porter und Wallace McCutcheon setzten die Idee um. Edison hatte die seit 1906 wöchentlich im „Judge Magazine“ erscheinende erste Teddy-Comic-Serie „Little Johnny and the Teddy Bears“ lieben gelernt. Genau solche neuartigen Figuren, wie diese von John Randolph Bray gezeichneten Teddybären wollte er in seinem neuen Film verwenden. Aber er zeichnete nicht, er ließ die Teddybären persönlich auftreten. Der Film verbindet das bekannte Märchen von "Goldilocks and the Three Bears" (Goldlöckchen und die drei Bären) mit der legendären Jagdgeschichte Teddy Roosevelts, in der dieser ein Bärenjunges verschont. Die drei Bären – Vaterbär, Mutterbär und Babybär – werden von kostümierten Schauspielern dargestellt, die sehr an die Rooseveltbären von Seymour Eaton erinnern. Eine separate Szene aber ist sensationell, sie lässt wirkliche Plüschbären zum Leben erwecken, ein erster Puppentrickfilm! Der Stummfilm wird von populärer Instrumentalmusik begleitet, in der die Themen von „Die Parade der Zinnsoldaten“ von Leon Jessel und „The Teddy Bears Picnic“ von John W. Bratton immer wieder durchklingen.

In der ersten Szene tanzt Babybär mit seinem Plüschteddy und spielt danach fröhlich Fangen und Schneeballschlacht mit den beiden großen Bären vor dem Häuschen, in dem die Bärenfamilie wohnt. Diese beenden das Treiben und schleppen Babybär am Ohr ins Haus zurück, um wenig später im Sonntagsstaat bekleidet mit Hut, Zylinder und Mantel zu einem Winterspaziergang aufzubrechen. Babybär trägt liebevoll seinen Plüschteddy im Arm. In der nächsten Szene erscheint ein diebisches Mädchen vor dem Haus. Da auf ihr Klingeln keiner öffnet, dringt es in das Haus ein, isst das bereitstehende Essen, macht sich lustig über die Familienfotos der Bären an der Wand und schaut durch ein Astloch in einen verschlossenen Raum.

Entzückt entdeckt sie dort sechs in einer Reihe stehende Plüschteddys. Die Teddybären scheinen zu wissen, dass sie beobachtet werden, schauen sie doch geradewegs von der anderen Seite in das Guckloch hinein und beginnen in genau diesem Moment eine synchrone akrobatische Tanzvorstellung. Diese wunderschöne Filmszene wirkt völlig surreal und losgelöst von der eigentlichen Geschichte. Weder braucht sie die restliche Geschichte, noch verliert die Filmhandlung ohne sie ihren Sinn. Die amüsante Animation von eineinhalb Minuten Länge war in ihrer Zeit außergewöhnlich aufwändig und mit großer Sorgfalt produziert. Edwin Porter brauchte allein dafür eine ganze Woche; Fünfzehn-Minuten-Filmchen waren sonst in zwei Tagen fertig. Die Animation wird noch komplexer, indem sie mit einem separat fotografierten Bild vom Astloch kombiniert ist, und wird so zu einem wichtigen Stückchen Filmgeschichte. Der Film gilt als wichtiges Frühwerk für Stop-Motion-Animation.

Das Mädchen versucht nun, in den Raum einzubrechen. Als sie das nicht schafft, geht sie ins Schlafzimmer, zerwühlt die drei Betten und kuschelt sich schließlich in Babybärs Bett. Fest drückt sie dabei Babybärs zweiten großen Plüschteddy (ein Steiffbär?) an sich. Inzwischen ist die Bärenfamilie heimgekommen. Noch im Mantel entdecken sie, dass Babybärs Schüssel leer ist. Die Eltern trösten liebevoll das weinende Kind. Allein im Zimmer, schaukelt Babybär nun gedankenverloren in Vaters Schaukelstuhl, seinen Plüschbären fest im Arm. Als Vaterbär dieses offenbar verbotene Tun entdeckt, fängt er den um den Tisch flüchtenden Kleinen ein, legt ihn übers Knie und verprügelt ihn. Schnitt. In Nachthemd und Nachtmütze macht sich die Bärenfamilie ins Schlafzimmer auf. Über der Tür hängt eine Tafel mit dem Spruch „God bless our home“; die Bärenfamilie ist gläubig. Babybär stolpert, fällt hin, weint und wird zärtlich getröstet. Immer wieder sind es alltägliche bürgerliche Familienszenen, die Sympathie für die Bärenfamilie erzeugen. Das Menschenmädchen bleibt der fremde, böse Eindringling, das Babybär nun entsetzt in seinem Bett entdeckt. Durchs Zimmer gescheucht wirft das Mädchen schließlich Babybärs geliebten Plüschbären aus dem Fenster und springt hinterher. Von den drei Bären verfolgt, flieht es mit dem Plüschbären im Arm durch den verschneiten Winterwald, der das Häuschen umgibt. Nach einer umfangreichen witzigen Verfolgungsjagd trifft es in höchster Not auf einen Jäger mit Gewehr – Roosevelt höchst selbst im gewohnten Jagdanzug. Sie versteckt sich hinter seinem Rücken. Heldenhaft erschießt der „Rough Rider“ Roosevelt nacheinander Papa- und Mamabär, obwohl ihre menschliche Kleidung mit Hut, Schürze, Brille und Gehstock sie als zivilisiert und domestiziert ausweisen und sie nicht als wilde, gefährliche Bestie zeigen. Die gewalttätigen Todesfälle kommen wie ein Schock nach den friedlichen häuslichen Szenen. Als Roosevelt auch gegen Babybär das Gewehr erhebt, fällt das Mädchen ihm in den Arm und verhindert großmütig den Schuss. Babybär fällt auf die Knie und fleht um sein Leben – mit Erfolg. Schließlich wird er an die Leine genommen und damit zum Leben in Gefangenschaft verurteilt. Mit einem Seil um den Hals führen die beiden Menschen den verwaisten kleinen Bären vorbei an seinen toten Eltern zurück in sein Haus. Die Schluss-Szene zeigt, wie das fröhlich hüpfende Mädchen neben dem Jäger aus dem Haus kommt, beide sind beladen mit den vielen gestohlenen Plüschbären aus der Tanzszene. Der kleine traurige Babybär wird hoffnungslos am Halsseil mitgeführt.

Die folgenden Fotos sind Standbilder aus dem 1907 entstandenen Stummfilm THE „TEDDY“ BEARS in einer Bearbeitung der Autorin. Dem alten Material des über hundertjährigen Filmes ist die mäßige Bildqualität zu schulden.